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Herstellung

HR als Transformationsmotor: Warum CHROs in der Industrie jetzt entscheidend sind

7 Minuten Lesedauer

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Deutschlands Industrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Dekarbonisierung, Digitalisierung und volatile Märkte verändern Geschäftsmodelle und Anforderungen an Führung. Warum gerade CHROs jetzt zum zentralen Erfolgsfaktor werden, erläutert Ramona Kraft, Prinicipal bei Odgers, aus der Praxis.

Deutschlands industrielle Unternehmen stehen unter enormem Transformationsdruck. Dekarbonisierung, Digitalisierung, steigende Kosten und fragilere Lieferketten zwingen Organisationen, sich schneller zu verändern, als es vielen Belegschaften möglich scheint. Die große Erkenntnis dieser Zeit lautet: Transformation ist nicht allein ein technologisches Projekt. Sie ist eine Frage der Menschen, der Führung und der kulturellen Voraussetzungen.

CHROs rücken damit an eine neue Position im Machtgefüge der Unternehmen. Sie sind keine Verwalterinnen und Verwalter des Personalbestands, sondern strategische Co-Piloten des CEO. Für den Erfolg von Transformationen sind sie mindestes genau so wichtig wie die Wahl der Technologie oder der Aufbau neuer Produktionsprozesse.

Eine Branche im Wandel: Zwischen Unsicherheit und Aufbruch

Kaum ein Industriezweig bleibt unberührt von den Veränderungen der vergangenen Jahre. Die drastisch gestiegenen Energiepreise seit 2022 belasten energieintensive Branchen in besonderem Maße und erzwingen Anpassungen, die tief in Technologien und Prozesse eingreifen. Hinzu treten geopolitische Risiken, die den globalen Warenfluss unberechenbarer machen und Planungszyklen verkürzen.

Die technische Seite des Wandels ist kaum weniger anspruchsvoll. Der Einsatz von KI, Robotik und automatisierten Produktionsverfahren wächst rapide. Viele Arbeitsplätze verändern sich in ihrer Anforderungstiefe oder verschwinden ganz, während neue Tätigkeiten entstehen, die höhere digitale und analytische Fähigkeiten voraussetzen.

Besonders gravierend wirkt sich der demografische Wandel aus. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts werden in den kommenden 15 Jahren rund 13,4 Millionen Erwerbspersonen das Rentenalter erreichen – darunter viele aus industriellen und technischen Fachrichtungen. 

In dieser Lage treffen Transformationen auf Belegschaften, die zugleich älter, knapper und belasteter sind als je zuvor. Viele Produktionsbereiche arbeiten seit Jahren am Limit, häufig unter hohem Effizienz- und Kostendruck. Motive wie Stolz und Zugehörigkeit bleiben zwar stark, doch die Bereitschaft, weitere Veränderungswellen mitzutragen, nimmt spürbar ab – ein Phänomen, das sich in zahlreichen Industrieunternehmen beobachten lässt.

Am Ende scheitert Transformation selten an der Technologie. Entscheidend ist, ob es gelingt, die Menschen für diesen Wandel zu gewinnen.

Für Führung und Organisation bedeutet das: Der technische Wandel kann nur gelingen, wenn Unternehmen die kulturellen, strukturellen und kompetenzbezogenen Voraussetzungen schaffen, auf denen Transformation überhaupt erst wachsen kann.

Die neue Rolle des CHRO: Vom Administrator zum Architekten des Wandels

Vor diesem Hintergrund erweitert sich das Profil des CHRO grundlegend. Entscheidungen über Energieversorgung, Standortstrategien oder Automatisierungsinitiativen lassen sich nicht mehr ohne die Frage beantworten, welche Fähigkeiten verfügbar sind, wie Teams organisiert sind und wie Führungskräfte den Wandel tragen. Der CHRO wird dadurch zum strategischen Co-Piloten des CEO, zu dem die Unternehmensleitung greift, wenn Transformation nicht nur entworfen, sondern wirklich umgesetzt werden soll.

Die Personalverantwortlichen stehen heute mitten in den strategischen Entscheidungsprozessen. Ohne ihre Expertise lässt sich Transformation weder planen noch steuern.

Ein besonderes Gewicht gewinnt die Gestaltungsaufgabe im Bereich Führung. Kultur ist das Nadelöhr der Transformation. In vielen Industrieunternehmen, die über Jahrzehnte auf Effizienz programmiert waren, fällt es schwer, neue Muster zuzulassen: Experimente, offene Kommunikation, teamübergreifende Entscheidungen. Die Fähigkeit, Fehler zu tolerieren und Rückschläge offen zu besprechen, ist vielerorts erst im Entstehen. HR gestaltet jene Rahmenbedingungen, die psychologische Sicherheit ermöglichen, und entwickelt Führungssysteme, die Mitarbeitende motivieren, statt sie zu überfordern.

Parallel wächst die Bedeutung des systematischen Kompetenzaufbaus. Klassische Stellenprofile greifen zu kurz, wenn Funktionen durch Automation neu definiert werden. Innere Arbeitsmärkte gewinnen an Wert: Talente müssen mobil werden, Lernpfade dynamischer, Karrieren flexibler. Reskilling und Upskilling werden zum festen Bestandteil industrieller Realität und nicht mehr zur gelegentlichen Ausnahme.

Hinzu kommt die Notwendigkeit, Entscheidungen datenbasiert zu treffen. Viele Transformationsprogramme scheitern nicht an mangelndem Willen, sondern an fehlender Transparenz: Welche Kompetenzen sind vorhanden? Welche Rollen sind kritisch? Welche Standorte sind besonders belastet? Predictive People Analytics und Workforce-Planungsmodelle schaffen Sicht, wo früher Intuition dominierte. HR wird so zur Steuerinstanz, die den Kurs der Transformation mitbestimmt.

Wie HR Transformation konkret vorantreibt

In der Praxis zeigt sich, dass HR vor allem dann wirkt, wenn Veränderung komplex, sensibel oder konfliktbeladen wird. Besonders in Krisen- und Restrukturierungsphasen entscheidet die Art der Kommunikation darüber, ob die Belegschaft Vertrauen behält oder in Widerstand übergeht. HR bereitet Führungskräfte darauf vor, schwierige Gespräche zu führen, klare Botschaften zu senden und Unsicherheit nicht zu verschärfen.

Auch die Gestaltung von Organisationsstrukturen erfordert heute ein anderes Verständnis als noch vor wenigen Jahren. Wo Silos in der Vergangenheit akzeptiert wurden, entstehen nun vernetzte Entscheidungswege. Rollen werden neu definiert, Verantwortlichkeiten präzisiert, Schnittstellen geklärt. Transformation Offices, die HR eng einbinden, haben sich vielerorts als wirksame Instrumente erwiesen, um Projekte zu koordinieren und die notwendige Geschwindigkeit zu gewährleisten.

Ebenso unverzichtbar ist der Blick auf die Stimmung und Belastung der Organisation. Mitarbeiterbefragungen, qualitative Interviews oder Kulturdiagnosen sind heute zentrale Werkzeuge, um frühzeitig zu erkennen, wo Transformation ins Stocken gerät. Eine Belegschaft, die sich nicht gehört fühlt, wird sich kaum für neue Prozesse, Technologien oder Strategien begeistern lassen.

Und schließlich verändert sich das Talent- und Leistungsmanagement. Unternehmen erkennen zunehmend, dass Zukunftsfähigkeit nicht aus langen Betriebszugehörigkeiten hervorgeht, sondern aus Fähigkeiten. Skill-basierte Entwicklungspfade lösen rigide Karriereleitern ab. Mitarbeitende, die Lernen und Veränderung beherrschen, werden zu Schlüsselpersonen für Transformation.

Warum die richtigen People Leader heute entscheidend sind

Trotz der zentralen Rolle, die HR inzwischen einnimmt, arbeiten viele CHROs noch gegen strukturelle Barrieren. Veraltete IT-Landschaften, unklare Verantwortlichkeiten zwischen HR, Operations und IT oder die doppelte Logik globaler und lokaler Einheiten erschweren die Umsetzung. Zudem herrscht in manchen Organisationen eine Veränderungsmüdigkeit, die selbst gut konzipierte Programme zum Entgleisen bringen kann.

Gerade in der Produktion zeigt sich, wie stark Führung wirkt. Wenn dort Orientierung fehlt, gerät Veränderung schnell ins Stocken.

Aus meiner Sicht zeigt sich dabei deutlich: Die Qualität der People Leader entscheidet darüber, wie schnell, wie tief und wie nachhaltig Transformation wirkt. Die Suche nach Führungskräften, die fachlich wie menschlich in der Lage sind, Organisationen durch diesen Wandel zu führen, ist deshalb zu einer der kritischsten Aufgaben geworden.

People Leader benötigen heute eine Mischung aus strategischer Weitsicht, analytischem Denken, kultureller Sensibilität und der Fähigkeit, Stabilität und Veränderungsenergie zugleich zu vermitteln. Sie müssen Teams in unsicheren Zeiten Orientierung geben, Vertrauen schaffen und Veränderung aktiv erklären – und gleichzeitig genug Ambition mitbringen, um den technologischen Wandel zu gestalten.

In einer Zeit permanenter Veränderung wird Führung selbst zu einem Risikofaktor. Unternehmen scheitern nicht an zu wenig Technologie, sondern an den falschen Führungskräften an entscheidenden Stellen.

Für Odgers bedeutet das: Executive Search im industriellen Kontext ist heute weit mehr als die Identifikation von Lebensläufen. Es geht darum, Menschen zu finden, die Organisationen befähigen, durch eine der komplexesten Phasen ihrer Geschichte zu navigieren.

Fazit

Transformation gelingt nicht durch Maschinen, Systeme oder Prozesse allein. Sie gelingt durch Menschen, die bereit sind, zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und Wandel mitzugestalten. CHROs im industriellen Umfeld haben heute mehr Einfluss als je zuvor. Sie entscheiden darüber, ob Unternehmen den technologischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Wandel bewältigen oder an ihm scheitern.

Wer HR als strategischen Hebel begreift – und die richtigen People Leader an die entscheidenden Stellen bringt – stärkt die Resilienz und Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens.

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