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Capital Best of AI Awards Insights: Corina Apachite über Verantwortung, Technologie & Empowerment

Was macht gute Führung im Bereich Künstliche Intelligenz heute aus? Im Interview mit Markus Trost spricht Dr. Corina Apachite darüber, warum es dabei nicht um Titel oder Trends geht – sondern um Überzeugung, Klarheit und Verantwortung.

Als Head of Artificial Intelligence bei Continental Automotive führt Dr. Corina Apachite ein globales Team, das daran arbeitet, Mobilität neu zu denken – mit Lösungen, die skalierbar, verantwortungsvoll und sinnstiftend sind. In diesem Interview mit Markus Trost spricht sie über ihren Weg in die Führung, über Momente des Zweifelns, über das, was Menschen wirklich stärkt – und darüber, warum moderne Führung mehr mit Vertrauen, Zusammenarbeit und Sinn zu tun hat als mit Hierarchien oder Technik allein.

 

Führen aus Überzeugung – Weil Verantwortung zählt, nicht der Titel

Ihr Werdegang im Bereich Künstliche Intelligenz ist beeindruckend. Was war der ausschlaggebende Moment, der Sie auf diesen Weg geführt hat? Gab es auch Momente, in denen Sie diese Entscheidung hinterfragt haben?

Mein Weg in die KI-Führung war keine geplante Karriereentscheidung, sondern die Erkenntnis, dass diese Technologie Menschen braucht, die technischen Tiefgang mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein verbinden. Ich glaube an die natürliche Führung – man übernimmt Verantwortung, weil es einem wichtig ist, und weil andere einem vertrauen. Nicht, weil man gezielt auf eine Führungsrolle hinarbeitet.

Und ja, es gab Momente des Zweifelns. KI wird manchmal überschätzt und ist nicht immer so gut verstanden, wie man es sich wünschen würde. Gelegentlich wirkten die Erwartungen an die Technologie losgelöst von dem, was tatsächlich möglich war.

Trotzdem habe ich meinen Weg nie bereut – im Gegenteil: Er gibt mir das Gefühl, an etwas wirklich Bedeutsamem mitzuwirken. Vor allem dann, wenn ich nicht nur die Technologie mitgestalten kann, sondern auch die Art und Weise, wie Menschen zusammenarbeiten, lernen und wachsen.

Diese Technologie braucht Menschen, die technischen Tiefgang mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein verbinden.

Führung ist immer mit Entwicklung verbunden. Wie erleben Sie Continental als Ort für diesen Wandel – und wie wurde KI dort zur strategischen Priorität und zum wirtschaftlichen Erfolg?

Continental hat eine lange Geschichte des Wandels. Zwei Dinge, die sich scheinbar widersprechen – Stabilität und Innovation – gehören bei uns zur Unternehmenskultur. Unser Know-how und unser Produktportfolio haben sich über die Jahre stetig weiterentwickelt: von Hardware zu Software – und heute zu KI. Bereits 2012 haben wir KI in unsere Kamerasysteme integriert, um mit neuronalen Netzen Objekte zu erkennen und Sensordaten intelligenter zu verarbeiten. Eine eigene KI-Abteilung gibt es bei uns seit 2016.

Das Besondere an KI ist ihre Reichweite. Sie betrifft nicht nur Produkte – sie verändert, wie wir arbeiten, lernen und denken, und zwar im ganzen Unternehmen.

Wir haben KI frühzeitig als strategisches Thema verankert: durch eine globale Organisationsstruktur mit zentralen und dezentralen Rollen sowie durch die Integration in Entwicklung, Produktion und Betrieb. Dazu arbeiten wir aktiv mit Hochschulen, Start-ups und lokalen Innovationsnetzwerken zusammen.

Der wirtschaftliche Erfolg kam, als wir von isolierten Pilotprojekten auf skalierbare, wertorientierte Anwendungsfälle umgestellt haben – etwa zur Optimierung der Produktion, zur Beschleunigung von Entwicklungsprozessen oder zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Ein Beispiel dafür ist unsere Partnerschaft mit Aurora im Bereich autonomes Fahren.


Sie wurden von Capital als eine der führenden Persönlichkeiten im Bereich KI im DACH-Raum ausgezeichnet. Was ist für Sie das Besondere an Führung in diesem Bereich?

Führung in der Daten- und KI-Welt steckt noch in den Anfängen – und sie geht weit über technisches Know-how hinaus. Es geht darum, Vision mit Umsetzung zu verbinden, Technologie mit Verantwortung. Ich bin überzeugt: Nicht die Maschinen sollen menschlicher werden – sondern die Menschen sollen aufhören, wie Maschinen zu arbeiten.

Nicht die Maschinen sollen menschlicher werden – sondern die Menschen sollen aufhören, wie Maschinen zu arbeiten.

Als Führungskraft in einem so dynamischen Umfeld – wie gelingt es Ihnen, sowohl das Top-Management als auch Ihr Team zu motivieren und zu inspireren? Und welche strategische Vision verbindet Sie alle?

Ich glaube an Klarheit und Mut. Im Gespräch mit dem Top-Management spreche ich über Impact und Wettbewerbsfähigkeit: KI ist kein kurzfristiger Trend, sondern Voraussetzung für langfristigen Erfolg.

In meinen Teams steht die Sinnhaftigkeit im Vordergrund. Unsere Vision ist es, ein Unternehmen zu werden, das KI gezielt nutzt – schnell, skalierbar, verantwortungsvoll und wertorientiert. Es geht nicht nur darum, Algorithmen zu liefern, sondern Lösungen zu schaffen, die unsere Kolleg:innen unterstützen und unseren Kunden echten Mehrwert bieten.

Skalieren mit Verantwortung: Wenn Technologie dem Menschen dient

Viele Unternehmen tun sich schwer damit, KI-Projekte zu skalieren. Wie ist Ihnen das gelungen? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Erfolgreiche Skalierung braucht mehr als gute Modelle – sie braucht klare Prioritäten, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und operative Umsetzungsstärke. Wir bei Continental haben ein gemeinsames KI-Portfolio für verschiedene Geschäftsbereiche aufgebaut, es eng mit Entwicklung und Betrieb verzahnt und in Weiterbildung, Communitys und Governance investiert. Eine wichtige Erkenntnis: Interdisziplinäre Teams sind entscheidend – und manchmal haben wir sie zu spät gebildet.

Ein echtes Leuchtturmprojekt ist unser KI-gestütztes Requirements Engineering Tool, das wir gemeinsam mit Microsoft und NTT DATA entwickelt haben. Es analysiert hochkomplexe Kundenspezifikationen mit bis zu 30.000 Einzelforderungen – und reduziert den manuellen Aufwand um bis zu 80 %.

Das Tool verkürzt Entwicklungszeiten und gibt Ingenieur:innen den Freiraum, sich auf wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren. Es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen – sondern sie zu entlasten. Die Lösung wird inzwischen in mehreren Bereichen eingesetzt und wurde mit dem Microsoft Intelligent Manufacturing Award als „Overall Winner“ ausgezeichnet – ein starkes Beispiel dafür, wie praxisnahe KI echte Transformation ermöglicht.

Sie arbeiten seit vielen Jahren an der Spitze der KI-Entwicklung. Wie wird diese Technologie Ihrer Meinung nach Führung verändern – und wie möchten Sie selbst Ihren Führungsstil in den kommenden drei Jahren weiterentwickeln?

Führung hat sich über viele Epochen hinweg gewandelt – aber bestimmte Muster blieben lange bestehen: Macht durch Wissen, Einfluss durch Kontrolle, Distanz als Zeichen von Autorität.

KI verändert das grundlegend. Wissen ist heute nicht mehr exklusiv, sondern für alle zugänglich. Was Führung künftig ausmacht, ist die Fähigkeit, zu verbinden, zu befähigen und Sinn zu stiften.

Für mich ist Führung kein Rezeptbuch, sondern eher ein Tagebuch – sie entwickelt sich, ist kontextabhängig und zutiefst menschlich.

Für mich ist Führung kein Rezeptbuch, sondern eher ein Tagebuch: sie entwickelt sich, ist kontextabhängig und zutiefst menschlich. In den nächsten Jahren möchte ich noch stärker als Multiplikatorin wirken – andere darin bestärken, mit KI zu führen, auch jenseits der Technik.

Ich möchte nah an meinen Teams, Stakeholdern und Kunden bleiben – und Maschinen mitgestalten, die kreative Räume schaffen und Menschen von belastenden Aufgaben befreien.

Und ich möchte dabei mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben – damit Geschwindigkeit nie auf Kosten von Weitblick und Impact geht.

 

Sie gehören zu den ersten Preisträger:innen des Best of AI Awards. Hatte diese Auszeichnung für Sie eine nachhaltige Wirkung – beruflich oder persönlich?

Auf jeden Fall. Als ich den Award bekam, habe ich sofort an all die Menschen gedacht, mit denen ich über die Jahre zusammenarbeiten durfte. Diese Anerkennung gehört genauso meinem Team – und Continental insgesamt.

Nicht jede:r weiß, wie weit wir als Unternehmen bereits gekommen sind, wenn es um die Verbindung von Automobilkompetenz und KI geht. Die Auszeichnung hat das sichtbarer gemacht – im Unternehmen, aber auch im deutschen KI-Ökosystem. Sie war ein starkes Signal: Wir experimentieren nicht nur mit KI – wir gestalten die Zukunft der Mobilität.

Wir experimentieren nicht nur mit KI – wir gestalten die Zukunft der Mobilität.

Und ja, ich finde: Erfolge, die wir nicht feiern, werden wir auch nicht dauerhaft sichern. Genau das war meine Motivation, diesen Moment bewusst zu würdigen.

Für meine Familie und Freunde war es übrigens auch etwas ganz Besonderes. Auch wenn sie mich vielleicht ohnehin schon als „die Beste in …“ gesehen haben – die Auszeichnung hat dem Ganzen noch ein bisschen Glanz verliehen.

 

Wir bedanken uns herzlichst bei Corina Apachite für das offene und inspirierende Gespräch.

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